Eine Entwicklungsplattform für Nichtprogrammierer?
Eine Entwicklung wie diese sticht selbst in der schnelllebigen IT heraus: Low-/No-Code-Plattformen in Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI) heben das Enterprise Resource Planning (ERP) auf ein neues Level. Bei proALPHA beobachten wir diese Entwicklung sehr genau und können die entsprechenden Tools per Programmierschnittstelle anbinden.
Low-Code- oder No-Code-Plattformen sind als Entwicklungsumgebung für Cloud und On-premise-Anwendungen angetreten. Sie sollen auch von Personal ohne Fachkenntnisse bedient werden können. Anstelle von Programmierung kommen dabei visuelle und deklarative Methoden zum Einsatz. Sie gelten als eine vielversprechende Technologie, um dem IT-Fachkräftemangel wirksam entgegenzutreten. Das ist angesichts von 137.000 Fachkräften, die in Deutschland allein in der IT-Branche fehlen, ein äußerst verlockendes Angebot.
Hinzu kommt, dass ein Drittel aller Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern Low-Code- oder No-Code-Plattformen als hochrelevant einstuft, wie uns die Studie „ERP in der Praxis 2022/2023“ des Beratungshauses Trovarit darlegt. Aber auch im Mittelstand mit 20 bis 99 Mitarbeitern finden das immerhin 16 Prozent. Das dürften sehr schnell sehr viel mehr werden, denn das Low-/No-Code-Phänomen hat enormes Potential für die ERP-Entwicklung. Wie wird also die Zukunft des ERP aussehen, wenn Entwicklungstools für Nichtprogrammierer zum Einsatz kommen?
Low-/No-Code-Plattformen als Bordmittel oder angedockt
Durch Low-/No-Code-Plattformen sind Mitarbeitende mit weniger ausgeprägten technischen Skills in der Lage, Cloud- und On-premise-Apps für Fachabteilungen zu bauen – so die Theorie. Doch sollte man bedenken, dass die reine Entwicklung trivial erscheint, doch das Ganze in einem Umfeld von komplexen Unternehmensanwendungen stattfindet. Daher wird in der Praxis dies häufig von Dienstleistern oder den Anbietern der Plattformen für den Kunden durchgeführt. Die verschiedenen Module von ERP-Systemen – etwa für die Lagerverwaltung, für die Dokumentenverarbeitung oder das Projektmanagement – sind in einer zentralen Datenbank angesiedelt und dort miteinander verschränkt. Um den jeweiligen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Fachabteilungen in Unternehmen gerecht werden zu können, müssen sie angepasst werden. Das erfordert in der Regel Expertenwissen und je nach Art der Entwicklung kann es auch zu einem hohen Programmieraufwand kommen. So macht es einen Unterschied, ob beispielsweise komplette Prozesse oder nur der Zugriff auf eine Datenquelle gestaltet werden wollen.
Low-/No-Code-Plattformen geben den berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass Workflows, Erweiterungen und Neuentwicklungen von fachkundigen Anwendern in den Fachabteilungen und ohne den Eingriff von IT-Profis erstellt werden können. Theoretisch könnten sogar komplette ERP-Systeme auf einer Low-Code-Konsole aufgesetzt werden. Praktisch finden sich zwei Arten von Low-/No-Code-Ansätzen: Zum einen als integraler Bestandteil eines ERP-Systems, wobei die Entwicklungsplattform vorrangig der individuellen Anpassung der Module an die Prozesslandschaft sowie der Digitalisierung von bestimmten Prozessen im Unternehmen dient. Alle nötigen Schnittstellen und Konnektoren sind bereits mit an Bord, die Bedienung wird damit für fachfremdes Personal vereinfacht, jedoch sollte die Komplexität immer noch nicht unterschätzt werden.
Zum anderen werden Low-/No-Code-Plattformen als externe Erweiterung für Legacy-Systeme offeriert – damit lassen sich Anwendungen erstellen, die den Funktionsumfang erweitern. Dieser Ansatz wird von den führenden Low-/No-Code-Anbietern verfolgt, hat aber den Nachteil, dass die Anpassung an die Gegebenheiten einer Firma komplex wird: Anbindungen und Schnittstellen müssen vom Nutzer selbst organisiert und eingerichtet werden, auch wenn die Plattformen bereits viele Schritte automatisieren.
Beiden Varianten gemein ist die Gefahr des Wildwuchses: Schnell entstehen Anwendungen der verschiedensten Art, jenseits der Kontrolle durch die IT und damit für das Firmennetzwerk potenziell gefährlich. Dieser Wildwuchs ließe sich allerdings durch überwachte Governance-Regeln in Schach halten. Eine andere Frage ist viel dringlicher:
Low-Programmieren: Zwischen Erwartungshaltung und Erfahrungswert
Können ungeschulte Fachanwender, auch „Citizen Developer“ genannt, tatsächlich mit Low-/No-Code-Entwicklungsumgebungen vernünftige Anwendungen schreiben? Und lassen sich damit Workflows definieren?
Unserer Erfahrung nach ist bis dahin noch ein ganzes Stück des Weges zu gehen. Die eingangs angeführte Studie bestätigt dies. Die Bedienung von Low-/No-Code-Plattformen ist heute keineswegs „idiotensicher“ und geht über simples „Drag & Drop“ von Codeschnipseln hinaus. IT-Laien benötigen in den meisten Fällen noch immer die Hilfe einer IT-Fachkraft, um Workflows (um)zu definieren, insbesondere wenn dafür eine externe Entwicklungsplattform genutzt wird. In jedem Fall muss ein unternehmensweites Regelwerk eingeführt und durchgesetzt werden, um durch einen unkontrollierten App-Wildwuchs keine Kerben in das Security-Framework eines Unternehmens zu schlagen. Daher werden diese Entwicklungen auch häufig durch Anbieter von Low-/No-Code Plattformen oder externen Dienstleistern durchgeführt.
Eine andere Entwicklung wird aber die Low-Code-Programmierung massiv verändern: Generative KI, wie wir ihr aktuell in Form von Chat-GPT staunend gegenüberstehen, beherrscht immer mehr Entwicklungs-sprachen und generiert Code im Handumdrehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis künstlich intelligente Low-/No-Code-Plattformen das ERP eines Unternehmens auf eine neue Stufe heben. So lassen sie sich per Standardschnittstelle an das ERP und sonstige Geschäftsanwendungen ankoppeln – und können dann signifikante und wertvolle IT-Ressourcen freisetzen. Die Fachabteilungsseite hingegen gewinnt erheblich an Flexibilität, lässt sich doch die Umsetzung spezifischer Prozessanforderungen in funktionale Erweiterungen und Anpassungen weitestgehend in Eigenregie anstoßen. Dennoch sollte das Thema App-Wildwuchs, wie oben bereits erwähnt, nicht unterschätzt werden.
Für Anbieter von ERP-Systemen wie proALPHA gehören derart komplementäre Plattformen daher zu den spannendsten Entwicklungen der Branche überhaupt. Sie sind auf einem guten Weg, diese oder jede andere Low-/No-Code-Plattform an ihr ERP anzubinden, sobald deren Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass Anwender praktisch ohne fremde Hilfe Formulare designen, Auswertungen individualisieren, Intercompany-Prozesse einrichten oder Stammdaten replizieren können.
Gerne greifen wir das Fazit des „Arbeitskreises ERP“ des Bitkom auf, der kürzlich in einem Diskussionspapier zum Schluss kam: „Low-Code ist sicher nicht das Ende der klassischen ERP-Welt. Es ist eher ein Umverteilen von Aufgaben.“